Das war 2020 im Wynfrid House

Wir sind noch da.

Wie geht es Dir? Bist Du wohlauf? Ich hoffe, dass Du und Deine Familie gesund und munter sind. Bestimmt ist es Dir gelungen, trotz der momentanen Situation das Weihnachtsfest und die Weihnachtspause schön genug zu organisieren, zumindest wünsche ich mir das.

Bei uns in London gilt jetzt der Tier 4, so dass wir nur innerhalb des eigenen Haushalts feiern dürfen. Auch keine schöne Weihnachtsüberraschung.

Das Wynfrid-Jahr 2020 war kein schönes, obwohl es so toll angefangen hat. In unserem fünfzigsten Jahr hatten wir so viel vor: Ein Ehemaligen-Treffen, eine große Jubiläumsparty, feiern, grillen, Geschichten erzählen. Zurückblicken auf die bewegte Geschichte dieses so liebenswerten Hauses, das so lang schon fester Teil meines Lebens ist.

Alles hatte so schön angefangen...

Bis Ende Februar ging noch alles gut. Wir hatten viele ehemalige Zivis und BufDis eingeladen, die uns in den letzten 50 Jahren unterstützt und das Wynfrid House zu dem gemacht haben, was es heute ist. Ein geführter Spaziergang durch Whitechapel, der Bettmach-Wettbewerb, das große Gala-Dinner mit Tombola und einem spannenden Quiz.

Sogar Menschen, die schon 1970 hier gearbeitet haben, erwiesen uns die Ehre und brachten Fotos aus einer anderen Welt mit. Das war das schönste Ereignis, was dem Wynfrid House in diesem Jahr passiert ist.

...bis zum Frühling.

Dann kam diese Pandemie. Du kannst Dir vorstellen, was da losging. Stornos, Stornos, Stornos. Reisegruppen aus den USA (die ja anfangs gar nicht mehr kommen durften), Schulklassen und natürlich Gäste wie Du.

Als wir im September etwas aufatmen konnten, hatten aber viele Menschen in Deutschland schon keine Lust mehr, zu reisen. Was die Kommunikation der Lage und der Maßnahmen betrifft, kannst Du in Deutschland noch vergleichsweise happy sein. Dass das Vereinigte Königreich erst spät, dafür aber umso heftiger reagiert hat, hat uns auch nicht sonderlich geholfen.

Dann war der Sommer vorbei und durch Euren "Lockdown light" begann eigentlich schon Ende Oktober der Winterschlaf hier im Wynfrid House. Manchmal kam ich mir vor wie dieser Typ aus "The Shining", der ein ganzes Hotel für sich allein hat und irgendwann verrückt wird.

Jetzt heißt es erst einmal abwarten...

Was kommt 2021?

Ich wünsche mir so sehr, Dich, Deine Freunde, Deine Familie und Schulklassen aus ganz Deutschland endlich wieder in einer der aufregendsten Städte der Welt zu begrüßen, die Zimmer wieder zu belegen, den vollen Frühstücksraum zu sehen.

Trotzdem ist es sicher, dass wir bis Anfang April nur vereinzelt Gäste haben werden. So langsam geht das nicht nur ans Gemüt, sondern auch mächtig ins Geld, zumal wir nicht so mächtige Sicherungssysteme wie Euer Kurzarbeitergeld haben.

Das war es dann endlich für 2020. Ich kann mir vorstellen, dass Du auch froh bist, dass dieses Jahr vorbei ist.

Wir bleiben trotzdem fröhlich.

Weihnachten ist die Zeit der Besinnlichkeit, der Hoffnung und auch des Optimismus. Die vielen Einschränkungen haben uns gezeigt, wie wichtig uns andere Menschen sind, wie sehr wir ihre Nähe brauchen und wie sehr sie uns fehlt.

Wenn wir uns also in diesen Tagen manchmal alleine fühlen, dann deswegen, weil wir sonst nie allein sind. Weil wir Menschen haben, mit denen wir zusammen sein wollen.

Diesen Reichtum bemerken wir jetzt am besten, wo wir - wenn auch nicht für immer - auf ihn verzichten müssen. Wir werden uns darüber bewusst, wie wichtig uns Freunde und Familie sind, wie sehr wir diesen Reichtum im Alltag übersehen, selbstverständlich finden.

Eigentlich ist Weihnachten auch dazu da, selbst wenn uns die Art und Weise nicht gefällt. So blicken wir in diesem Jahr einer wirklich stillen Nacht entgegen.

Wir alle wünschen Dir
fröhliche Weihnachten aus London.

Wir sind einander näher, als es scheint.
In unseren Gedanken. Unseren Herzen.
Nichts kann uns das nehmen.

Mit ganzem Herzen, Dein

ANTHONY PERERA
GENERAL MANAGER